XXX 2 – THE NEXT LEVEL
Samuel L. Jackson, der als einer der wenigen Darsteller aus dem Vorgänger auch
in XXX 2 mit von der Partie ist, hat deutlich ein Problem des ersten Teils
erkannt, der trotz der überwältigenden Asia Argento eines der peinlichsten James
Bond-Plagiate der Filmgeschichte darstellte. In einer der ersten Sequenzen des
neuen Agenten-Abenteuers erklärt Jackson, dass man für den neuen Job jemanden
mit mehr „Attitude“ als den selbstverliebten Ex-Türsteher Vin Diesel bräuchte.
Dieser Kommentar bezieht sich nicht nur auf den Durchbruch des neuen
Hauptdarstellers Ice Cube als Mitglied der Rap-Gruppe NWA (Niggaz with Attitude),
sondern gibt auch die programmatische Devise für den zweiten Teil vor. Keine
albernen Snowboard-Einlagen mehr, die lediglich wie die Extrem-Sport-Variante
der alten Willy Bogner-Skijagden wirken, und keine unfreiwillig komischen
Autojagden, die eine altbackene Vorstellung von vermeintlicher MTV-Ästhetik
vermitteln. Stattdessen trifft in XXX 2 der Kosmos des schon seit einigen Jahren
zunehmend artifizieller erscheinenden Gangsta-Rap, der sich gerade in einer
ganzen Reihe von Videospielen wie GTA – San Andreas eines gewissen Comebacks
erfreut, auf die Konventionen des Agentenfilms. Cubes Stärken liegen weniger im
Actionmetier, sondern, wie es auf Grund seiner Rollengeschichte und seines
Status als stilprägender Gangsta-Rapper der späten Achtziger und frühen
Neunziger Jahre zu erwarten war, in der Wortgewandtheit und Situationskomik. In
seinem Fall erscheint es angesichts seines gewohnten Gangsta-Images schon als
Undercover-Einsatz, wenn er sich einen Anzug ausleiht, um eine Abendgesellschaft
auszuspionieren. Wenn er sich gegenüber einem NRA-Vertreter als Baptisten-Pastor
ausgibt und ihm den Ratschlag erteilt, sein Verband sollte weniger Leute mit
weißen Kapuzen, die Kreuze verbrennen und Afro-Amerikaner lynchen, aufnehmen,
erinnert Cubes Rolle durchaus an die Polemiken seiner früheren Alben oder seine
erfolgreichen Friday-Komödien.
Das Konzept eines modernisierten Grand Theft Auto-kompatiblen Bond geht in XXX 2
– The Next Level erstmals halbwegs auf. Neben dem weißen Geheimdienst-Tüftler,
für Cube ein typischer „College-Boy“, unterstützt ihn der in einem Cameo
auftretende Xzibit, dessen als Gangsta-Variante des Erfinders Q aus den
Bond-Filmen angelegte Rolle sich nicht wesentlich von seinem Image als hipper
Autobastler in der MTV-Show Pimp My Ride unterscheidet. Vor dem Showdown
appelliert Cube, der immerhin vor fünfzehn Jahren noch einen Totenschein für
Uncle Sam ausstellen wollte, an die Homies, dass sie ihre Rechte verteidigen
sollten. Nicht für „the red, white, and blue“, sondern für ihr Recht in der
unmittelbaren Nachbarschaft des Pentagon Autos klauen und zu Höchstpreisen
verhökern zu können. Cube bleibt seinen Prinzipien treu, „I’ll never have dinner
with the President“ erklärte er zu Beginn des 1992 erschienen, die L.A. Riots
reflektierenden Albums The Predator. Zwar rettet er den entführten Präsidenten
aus einem Hochgeschwindigkeitszug, aber er bleibt nicht zum Essen, sondern zieht
als Outlaw weiter. Dass sich die übelste, rechtsextreme Intrigantin als blonde
High Society-Tochter, die ihren eigenen Vater auf dem Gewissen hat, erweist,
passt ebenfalls zum Update der XXX-Serie, die sich wie der von John Singleton
inszenierte, zweite Teil von The Fast and the Furious eifrig der
Mainstream-tauglichen Topoi und der ehemaligen Aktivisten des New Black Cinema
der Neunziger bedient. Streckenweise funktioniert dieser Ansatz einigermaßen
unterhaltsam. Lediglich die auf einige wenige Dialoge reduzierte Rolle der
charmanten R’n’B-Sängerin Nona Gaye hätte etwas umfangreicher ausfallen können.
Die Akzeptanz gegenüber einst kontroversen Rap-Künstlern zeigt sich nicht nur in
der Besetzung Cubes als 007 in the Hood, sondern auch daran, dass er als eine
Ikone des Gangsta-Rap genau jene Hauptrolle übernimmt, die in Russell Mulcaheys
Cop-Thriller Ricochet (USA 1992) noch dem angehenden Hollywood-Star Denzel
Washington zukam. Cubes alter Kollege Ice-T spielte damals hingegen den Part des
zuverlässigen Sidekicks aus der Unterwelt, den in XXX – The Next Level Xzibit
realisiert. Offensichtlich hat sich inzwischen zumindest einer der ehemaligen
Original Gangstas in die Regionalliga Hollywoods hochgespielt.
Wie sich in XXX – The Next Level die Welt der Grand Theft Auto-Spiele mit den
Standardsituationen des Agenten-Actionfilms according to James Bond vermischt,
hätte durchaus größeres Potential. Willem Dafoe, der in Spider-Man (USA 2002)
eine gekonnte Vorstellung als Schurke gab, liefert als hinterhältiger Intrigant
solide Routinearbeit. Die Idee ihn zu einem Saboteur der US-Regierung aus den
eigenen Reihen im Stil des erzreaktionären Generals Stryker aus X-Men 2 (USA
2003) zu machen, unterscheidet den Film angenehm vom allgemeinen reaktionären
Backlash im Actiongenre. Der in XXX 2 bedrohte Präsident vertritt politisch
sämtliche, international und diplomatisch ausgerichteten Positionen, die man in
der Bush-Regierung vermisst. In dieser Hinsicht erscheint der Film
unterschwellig als politische Wunschvorstellung, auch wenn er sich natürlich
meilenweit von Cubes politisch ambitionierten Rollen in den Filmen von John
Singleton oder David `O Russell entfernt befindet. Anspielungen gibt es dennoch
an einigen Stellen. Cubes alte Bekannte von Public Enemy steuerten gemeinsam mit
dem Technorocker Moby auf dem Soundtrack einen Track gegen den Irakkrieg bei und
die bereits erwähnte NRA-Nummer hätte in dieser Form jederzeit auch als
Hörspiel-Interlude auf Cubes nächstes Album gepasst.
Wenigstens versteht Ice Cube es im Gegensatz zu Vin Diesel sich im Rahmen des
Next Generation-James Bond-Formats zu amüsieren. XXX 2 – The Next Level hätte
das Pendant zu den Blaxploitation-Streifen der Siebziger werden können, in denen
sich Jim Brown, Fred Williamson und Richard Roundtree als „streetwise“
B-Picture-Variante von Actionhelden wie Clint Eastwood, Sean Connery oder Steve
McQueen betätigten. Doch leider haben es die Produzenten immer noch nicht
aufgegeben, penetrant einen neuen Bond für die MTV-Generation etablieren zu
wollen. Aus diesem Grund haben sie sich sogar Lee Tamahori, den Regisseur des
letzten 007-Abenteuers Die Another Day (GB 2002) und dessen Kameramann David
Tattersall (u.a. Star Wars 1 bis 3) eingekauft. Tamahori, der mit dem subtilen
Sozialdrama Once Were Warriors / Die Letzte Kriegerin Mitte der Neunziger seinen
internationalen Durchbruch erzielte, versteht es zwar durchaus Cube, wie auch
seinen Kollegen Samuel L. Jackson, der sich bereits im ersten Teil und in John
Singletons Shaft-Remake (USA 2000) als Actionstar bewährt hat, als gelungenes
Blaxploitation-Update zu inszenieren. Wenn es an den mit Computereffekten
aufpolierten High Tech-Look der Actionszenen geht, wirkt das Ergebnis jedoch
ähnlich wie im letzten Bond-Film nur noch unfreiwillig komisch und wäre als
Videospiel, in dem ein gewisser artifizieller Look weniger stört, überzeugender.
Neben einigen grotesken Plotfehlern, wie dem völlig unverständlichen,
belastenden Griff Cubes nach einer reichlich forciert platzierten Mordwaffe,
zählt der mit halbgaren CGI-Effekten überladene Showdown zu den größten
Schwachpunkten des Films. Das ständige Bedürfnis auf den ersten Blick
unglaubwürdig erscheinende „larger-than-life“-Explosionen einbauen zu wollen,
befördert das Actionkino weit hinter John McTiernan und Renny Harlin zurück.
CGI-Action funktioniert gegenwärtig offensichtlich am besten, wenn sie von
vornherein in einem betont artifiziellen Kosmos angesiedelt wird oder im Rahmen
einer Comicverfilmung als Brückenschlag zwischen der Abbildung einer filmischen
und einer Cartoon-Wirklichkeit eingesetzt werden. Robert Rodriguez und Frank
Miller haben in dieser Hinsicht die Zeichen der Zeit erkannt und in Sin City
(USA 2005) beide Ansätze kombiniert.
XXX 2 – The Next Level versucht hingegen ein Kino der physischen Attraktionen zu
bieten und erscheint angesichts der ständig bemühten digitalen Knalltüten
dennoch weitaus weniger plastisch als eine Märklin-Modelleisenbahn. Im Gegensatz
zu Michael Bay und Jerry Bruckheimer, die zwar ebenfalls zu digitalen
Holzhammer-Methoden neigen, sich aber entsprechend teure Computer leisten
können, mit denen die CGI-Stunts etwas weniger bemüht erscheinen, geraten
niedriger budgetierte Event-Movies wie XXX 2, wenn sie sich zu stark auf
Computer-Tricks verlassen, in größere Schwierigkeiten. Vielleicht wäre es
sinnvoll noch einmal stärker den effektvollen Minimalismus der Action-Stylisten
wie Walter Hill und John Carpenter zu überdenken und für das digitale Zeitalter
zu aktualisieren. Ice Cube wäre für ein derartiges Unternehmen der richtige
Adressat, als Schauspieler hatte er sowohl mit Hill in Trespass (USA 1991), als
auch mit Carpenter in Ghosts of Mars (USA 2002) zusammen gearbeitet. Auch
Tamahori wäre als Regisseur kleinerer Action-Thriller der Renny Harlin-Kategorie
gar nicht einmal ungeeignet, wenn er es endlich einmal schaffen würde die
digitalen Effekte überlegter und nicht als Äquivalent zu den sichtbaren Fäden an
den Raketen-Modellen vergangener Zeiten einzusetzen.