Ententanz der Vampire
Van Helsing
Stephen Sommers gilt seit THE MUMMY (USA 1999) als Experte für das Blockbuster-Trash-Recycling klassischer Horrorfilmstoffe. In ihren besten Momenten funktionieren seine Blockbuster-Collagen als amüsant überladene, an die Levelstrukturen von Videospielen erinnernde Varianten der INDIANA JONES-Filme. In ihren langatmigeren Passagen wünscht man sich jedoch es würde sich um ein Videospiel handeln, in dem man die lästigen bemüht witzigen Gageinlagen einfach wegklicken könnte. Naheliegenderweise wurde parallel zum Kinostart seines neuesten Films VAN HELSING gleich das entsprechende Videospiel veröffentlicht und die Universal-Studios präsentierten eine neue Sektion zum Film in ihrem hauseigenen Themenpark.
In VAN HELSING treffen die Ikonen der klassischen von den Universal-Studios produzierten Horrorfilme aufeinander. Ende des neunzehnten Jahrhunderts versucht Dracula mit Hilfe von Frankensteins Monster an das Geheimnis künstlichen Lebens zu gelangen. Irgendwie ist auch noch der Wolfsmensch als Teil einer alten, nicht wirklich nachvollziehbaren Prophezeiung in das Geschehen verwickelt. In der Eröffnungsszene wird im Stil der James Bond-Pre Title-Sequenzen das dynamische Ein-Mann-Duo Dr. Jekyll und Mr. Hyde, der wie ein tricktechnisch misslungener entfernter Verwandter des Hulk aussieht, von dem Okkultismus-Spezialisten Van Helsing zur Strecke gebracht. Mit dem Vampirjäger aus zahlreichen Bram Stoker-Verfilmungen hat dieser Van Helsing nicht mehr viel gemeinsam. Er ähnelt eher einem James Bond für okkulte Fälle im ausgehenden 19. Jahrhundert. Mit seinen Talenten könnte er sich ohne weiteres der aus den unterschiedlichsten literarischen Figuren des viktorianischen Zeitalters zusammengewürfelten LEAGUE OF EXTRAORDINARY GENTLEMEN anschließen. Nach einem kurzen Besuch bei einem Vorläufer des 007-Gimmickspezialisten Q geht es im Auftrag einer Geheimorganisation des Vatikan weiter nach Transsilvanien. Dort warten bereits die üblichen Verdächtigen mit spitzen Zähnen, um den leider nicht wirklich in Schwung kommenden Tanz der Vampire zu eröffnen. In dieser Disneyland-Variante der Standard-Schauplätze des klassischen Horrorkinos liegt Draculas mit allen möglichen technischen Finessen ausgestattetes Schloss unmittelbar neben Frankensteins Labor, der zugehörigen alten Mühle und einem entlegenen, regelmäßig von den Blutsaugern heimgesuchten Dorf.
Konstellationen dieser Art sind nicht wirklich neu. In Videospielen wie der CASTLEVANIA-Serie konnte der Spieler gegen Dracula und alle möglichen anderen Horrorfilmcharaktere antreten und nach der Devise „More Monsters, More Thrills“ fanden bereits in den 1940er Jahren skurrile Crossover-Begegnungen zwischen Frankenstein und dem Wolfsmenschen statt. Als die ursprünglichen Universal-Horrorserien nicht mehr erfolgreich genug waren, versuchte man durch immer absurdere Kombinationen noch den letzten Cent aus den brachliegenden Franchises zu pressen. 1948 trieb das Comedy-Duo Abbott und Costello in Anwesenheit von Bela Lugosi und dem Original-Wolfsmenschen Lon Chaney Jr. mit ABOTT AND COSTELLO MEET FRANKENSTEIN endgültig den Nagel in den Sarg des Genres, das zu seiner eigenen Parodie geworden war. Wie Steven Spielberg und George Lucas die klassischen Abenteuerserials der 1930er Jahre als Vorbild für ihren promovierten Archäologen mit der markanten Bullenlederpeitsche nutzten, versucht Stephen Sommers in VAN HELSING aus dem Inventar der Universal-Horrorserien einen neuen Serienhelden zu synthetisieren. Doch im Unterschied zu den Blockbuster-Movie Brats des New Hollywood gelingt es ihm nicht aus altbekannten Standardsituationen ein eigenständiges und originelles filmisches Universum zu entwerfen. Stattdessen greift er sich sämtliche zur Verfügung stehende Zutaten und vergisst über der einen oder anderen gelungenen Szene gleich wieder, welches Ziel er eigentlich erreichen wollte. Sommers gelang das eigenartige Kunststück sämtliche konträren Entwicklungen der klassischen Vorbilder innerhalb eines Films unterzubringen. Die traditionellen Motive des Genres wie Draculas morbider Charme und die Leiden des zunehmend sensibleren Frankenstein-Monsters tauchen als unverbindliche Versatzstücke ebenso auf wie Draculas sirenenartige Bräute aus den Filmen der Hammer-Studios. Den Ramschverkauf, für den Universal immerhin über fünfzehn Jahre brauchte, bietet Sommers gleich zusätzlich zum vermeintlichen Genre-Wiederbelebungsversuch als Extra-Beigabe an. Wenn eine Sequenz wie der Angriff der Vampire nach Van Helsings Ankunft auf das benachbarte Dorf einigermaßen interessant erscheint, macht wenige Augenblicke später die karikaturhafte Vampir-Machtzentrale, die nicht von ungefähr an die geheimen Festungen früherer James Bond-Gegenspieler erinnert, die eben erst etablierte Atmosphäre wieder zunichte.
Der Trailer zu VAN HELSING sah noch nach einer vielversprechenden postmodernen Popcorn-Geisterbahnfahrt aus. Der Film hätte eine unterhaltsame Kombination aus dem Personal des klassischen Horrorkinos und dem grellen Stil der späten Hammer-Filme, in denen unter anderem die sieben goldenen Vampire aus Hong Kong über die Leinwand flogen, ergeben können. Sommers will jedoch alles auf einmal und erreicht damit nur mit größter Mühe die einfachsten Etappenziele. Im Gegensatz zum unterhaltsam rasanten THE MUMMY RETURNS (USA 2001) kann er sich in VAN HELSING nicht wirklich entschließen, welche Motive der Geschichten er ernst nehmen und welche Genre-Allgemeinplätze er persiflieren will. Trotz effektvoller Einzelszenen und mit Liebe zum Detail betont artifiziell gestalteter Kulissen fallen die hölzernen Dialoge und die Unentschlossenheit der Inszenierung immer wieder unangenehm auf. Streckenweise versucht sich Sommers an einer stilbewussten Genreparodie in der Tradition von FRANKENSTEIN JUNIOR (USA 1974) und THE FEARLESS VAMPIRE KILLERS (Tanz der Vampire, GB 1966). Der Prolog des Films setzt das Schwarz-Weiß der Universal-Filme ein, doch im Unterschied zu Mel Brooks, der in amüsanter Form auf James Whales FRANKENSTEIN-Filme Bezug nahm, weiß der Regisseur mit dem angerissenen Zitat nichts weiter anzufangen. Im Mittelteil des Films inszeniert Sommers beinahe in kompletter Länge eine der bekanntesten Sequenzen aus Roman Polanskis Vampirgroteske nach. Er gibt sich dabei sichtlich einige Mühe, doch nicht zuletzt durch die Besetzung der Rolle Draculas mit dem gänzlich ausdruckslosen Richard Roxburgh landet der Film immer wieder in den Folterkammern der SCARY MOVIE-Schule.
Daran können auch die charismatischen Hauptdarsteller wenig ändern, die hier lediglich ihre aus anderen Filmen bekannten Rollen fortsetzen. Kate Beckinsale hatte letztes Jahr mit dem Gothic-B-Picture UNDERWORLD einen nicht perfekten, aber dafür sympathischen und wesentlich besseren Werwolf-Vampir-Crossoverfilm gedreht. In VAN HELSING darf sie noch einmal als reaktionsschnelle Kämpferin auf die Jagd gehen. Hugh Jackman empfiehlt sich hingegen nicht nur als potentieller James Bond, in der zweiten Hälfte des Films wird er natürlich von seiner Rolle als Wolverine aus den X-MEN-Filmen (USA 2000, 2002) eingeholt. Rein zufällig kann lediglich ein Werwolf dem selbst ernannten Fürsten der Vampire ein Ende bereiten. Als wäre diese anbiedernde Exploitation der von Jackman nuanciert und einfallsreich gestalteten X-MEN-Figur noch nicht genug, säuft VAN HELSING im letzten Drittel schließlich in einem ungebrochenen Erlösungskitsch ab, der im Vergleich die CROW-Filme wie unprätentiösen Sozialrealismus erscheinen lässt.
Die besten Szenen gelingen Sommers wenn er sich ganz auf die Wirkung der Production Values vor allem im Set Design konzentriert. Doch leider kommen sie nicht ausführlich genug zur Geltung. Problematisch wird VAN HELSING immer, wenn Sommers den Spaß an seiner Expedition durch die Rumpelkammern der Universal-Studios aus den Augen verliert und stattdessen versucht eine dramatische Handlung zu entwerfen, die dann doch nur wie ein schlechter Witz erscheint. Ähnlich wie im Fall der LEAGUE OF EXTRAORDINARY GENTLEMEN führt das Bedürfnis es allen Zuschauern in irgendeiner Form recht machen zu wollen zu einem gefälligen und letztendlich langweiligen Spektakel, das sein ursprüngliches Potential nur erahnen lässt.