James Bond - Quantum of Solace / Ein Quantum Trost
Der durch „Casino Royale“ (2006) entfachte „Reboot“-Hype geht in die zweite Runde. Nachdem die stilbewusste Mischung aus Prequel zu den altbekannten Bond-Standardsituationen und Neustart nach dem Vorbild von langlebigen Comicserien, die sich alle paar Jahrzehnte eine neue Origin Story für die Heldinnen und Helden gönnen, sich zu einem der erfolgreichsten Filme der renommierten Reihe entwickelt hat, entschieden sich die Produzenten erstmals für ein direktes Sequel zum Vorgänger.
Barbara Broccoli und Michael G. Wilson bringen in Zusammenarbeit mit dem auf Dramen wie „Monster’s Ball“ (2001) und „Finding Neverland“ (2004) spezialisierten Schweizer Regisseur Marc Forster einen Plot zum Einsatz, der bereits 1969 auf „On Her Majesty’s Secret Service“ (1969) hätte folgen können. Den Vorlagen von Ian Fleming entsprechend begibt sich Bond, nachdem er sich zum zweiten Mal innerhalb der Reihe tatsächlich verliebt und die Geliebte unter tragischen Umständen verloren hat, in „Quantum of Solace“ auf einen Rachefeldzug. Am Ende von „Casino Royale“ fand er erste Hinweise auf eine mysteriöse Organisation, deren Machenschaften die charismatische Versper Lynd (Eva Green) in den Selbstmord getrieben haben. Die Konstellation ist trotz allen Reboot-Renovierungen nicht wirklich neu, sondern spielt die alte SPECTRE-Geschichte aus den 1960er Jahren unter den Bedingungen der immer noch unterschätzten Timothy Dalton-Bond-Filme durch, die auf Gimmicks und Spielereien zu Gunsten realistischerer Action und einer härteren, aber auch ambivalenteren Auslegung der Bond-Rolle verzichteten. Eine ganze Reihe von Handlungselementen in „Quantum of Solace“, dessen sperrigen Titel man auch gleich mit „Eine Runde Mitleid“ hätte übersetzen können, erinnert nicht von ungefähr an „Licence to Kill“ von 1989. Wieder einmal geht es um korrupte Staatsmächte in Südamerika und erneut handelt es sich für Bond um eine persönliche Angelegenheit, bei der er Unterstützung von einer schlagfertigen, ihm in vielerlei Hinsicht gleichwertigen Kollegin (Olga Kurylenko) erhält.
Glücklicherweise weiß Marc Forster im Unterschied zum damaligen, gerne in strahlendem Scheinwerferlicht sonnenbadendem Regisseur John Glen, wie man einen Raum nuanciert ausleuchtet. Entsprechend imposant gestaltet sich der Look des Films, besonders während eines internationalen Gangstertreffens in der Oper von Bregenz, das stärker an Brian De Palma und die Heroic Bloodshed-Phase von John Woo als an die gewöhnlichen Bond-Routinen erinnert. Doch leider glänzt der Film nur streckenweise mit Szenen wie dieser, in der sich der Rhythmus der Inszenierung und die Dramaturgie des Plots effektvoll ergänzen. Hinter „Licence to Kill“ oder „Casino Royale“ bleibt „Quantum of Solace“ deutlich zurück und reiht sich in die Liste ebenso soliden wie unterhaltsamen, aber auch nicht gerade überragenden Vertreter der Reihe ein.
Dabei hätte es inhaltlich einige interessante Ansätze gegeben, von Bonds inneren Konflikten, über die wahren Hintergründe eines vermeintlichen Komplotts zur Ölgewinnung bis hin zum gespaltenen Verhältnis zur CIA, in der Jeffrey Wrights Felix Leiter als einsame Stimme der Vernunft auftritt und sich als verantwortungsvoller Verbündeter für die Ära nach Bush empfiehlt. In den ruhigeren und emotionaleren Momenten erweist sich Forsters Inszenierung als pointiert, aber so bald die hyperventilierende, durch Achsensprünge und Jump Cuts bewusst unübersichtlich gestaltete Action einsetzt, scheitert das in „The World Is Not Enough“ (1999) noch eindrucksvoll umgesetzte Konzept, den altbekannten Verfolgungsjagden durch die Verpflichtung eines Drama-Spezialisten für die Regie einen neuen Reiz abzugewinnen. Das postmoderne Hackbrett der „Bourne Supremacy“ (2004), deren Cutter Richard Pearson neben Matt Chesse am Schnitt beteiligt war, erscheint im Kontext von Forsters Inszenierung nicht innovativ wie bei Paul Greengrass, sondern bemüht und holprig. Die Dialoge des in seinen eigenen Regiearbeiten neoklassisch orientierten Paul Haggis, der unterstützt von den üblichen Verdächtigen Neal Purvis und Robert Wade das Drehbuch verfasste, würden eine Vertiefung der Charaktere erfordern. Um diese bemüht sich Forster auch an mehreren Stellen, doch bevor ein echtes Profil der Protagonisten entstehen kann, hetzt die sprunghafte Kamera schon wieder dem nächsten durch die Mise-en-Scène rumpelnden Set Piece hinterher, das sich ohnehin nur fragmentarisch erschließt. Um Architektur und Choreographie genauer zu erfassen, muss man auf die Einzelbildschaltung der DVD oder auf das parallel zum Film veröffentlichte Videospiel zurückgreifen.
Auch die Charaktere entfalten durch die gedrängte Erzählweise nicht ihr ganzes Potential. Der französische Schauspieler Mathieu Amalric würde einen ausdrucksstarken Gegenspieler abgeben, wenn er sich nicht auf ein paar Manierismen, wie einem aus nicht näheren Gründen im Meer versenkten Mitarbeiter und krummen Deals mit bestechlichen Diktatoren beschränken müsste. Olga Kurylenko setzt die Tradition der auf unangestrengte Weise gleichberechtigten Bond-Heldinnen fort, auch wenn durch die kurze Spielzeit des Films ihre Background Story auf eine Handvoll Standardmotive des 1980er Jahre-Actionkinos reduziert wird. Daniel Craig absolviert seinen zweiten Auftritt als Bond erwartungsgemäß souverän. Am Ende erklärt er der von Judi Dench erneut als Mischung aus mütterlicher Vorgesetzter und abgebrühter Professional gespielten M, als diese ihn bittet weiterhin beim MI6 zu bleiben, dass er nie weg gewesen wäre.
Das in eine Reprise des sonst nur sparsam eingesetzten Bond-Themas übergehende Schlusswort erscheint bezeichnend für den gesamten Film. Zwar werden neue dramaturgische und ästhetische Variationen erprobt, am Ende will man jedoch wieder bei den altvertrauten Bond-Standards ankommen. Diese Unentschlossenheit resultiert in einem ganz passablen, aber nicht wirklich stimmigen Remix. Es bleibt sehr zu hoffen, dass, falls mit dem nächsten Bond-Film tatsächlich eine Trilogie angestrebt wird, diese ein paar überraschendere und konsequentere Wendungen enthält, statt einfach nur wiederholt den Reset-Button zu drücken.