Dynamische Klaustrophobie
Panic Room
(ursprünglich erschienen in Splatting Image)
David Fincher gehört zu jenen Ausnahmetalenten, die selbst konventionellen Stoffen noch interessante Aspekte abgewinnen können. Stilsicher und mit einem ausgeprägten Gespür für Atmosphäre und Inszenierung bewegt er sich zwischen individueller Handschrift und den Attraktionen des Mainstreams. Mit Steven Soderbergh und Spike Jonze hat er gerade eine Produktionsgesellschaft gegründet, um Projekte auch unabhängig von der Veröffentlichungspolitik der Major-Studios realisieren zu können. Dennoch betrachtet er seine neueste Arbeit PANIC ROOM als klassischen Blockbuster, natürlich mit der für Fincher charakteristischen düsteren Optik.
Der Plot von PANIC ROOM bewegt sich auf bekanntem Terrain: Eine Gruppe von Einbrechern dringt auf der Suche nach einem versteckten Vermögen in ein Haus ein und bedroht die allein erziehende Mutter Sarah. Diese flüchtet sich mit ihrer Tochter in den Panic Room, eine mit allen technischen Schikanen ausgestattete Zuflucht. Die von den Eindringlingen gesuchten Wertpapiere befinden sich jedoch genau in diesem High Tech-Bunker. Die Belagerung in den eigenen vier Wänden entwickelt sich zu einem Psychoduell zwischen Sarah und den ungebetenen Gästen.
PANIC ROOM funktioniert als Remix klassischer Genremotive. Es kommt weniger auf die Innovationen als auf die überlegte Akzentuierung an. Die Hintergrundgeschichte der Protagonisten reduziert Fincher auf einige Andeutungen und konzentriert sich stattdessen auf die Konfrontation zwischen Sarah und den Einbrechern. Jodie Foster tritt als kämpferische Mutter gegen das von dem sensiblen Forest Whitaker angeführte Trio an. Beide Schauspieler greifen auf in ihrer Rollengeschichte bereits erprobte Muster zurück, die sie erfolgreich variieren. Forest Whitaker erinnert mit seinen gutmütigen und melancholischen Blicken, die vom Unverständnis gegenüber den brutalen Ausfällen eines seiner Begleiters zeugen, nicht von ungefähr an den Taubenzüchter und Auftragskiller Ghost Dog aus dem gleichnamigen Jim Jarmusch-Film und Jodie Foster gestaltet ihre Rolle als mütterliche Variante der schlagfertigen FBI-Agentin Clarence Starling aus THE SILENCE OF THE LAMBS (Das Schweigen der Lämmer).
Obwohl das an klassische Heist-Movies erinnernde Szenario einem Kammerspiel ähnelt, erzeugt Fincher auf engem Raum ein Höchstmaß an Dynamik. In einer Sequenz verbindet er Jodie Foster mit den gerade in ihr Haus eindringenden Einbrechern. Während dieser Fahrt geht die Kamera sogar durch das Schlüsselloch der Haustür, die Forest Whitaker gerade zu öffnen versucht. In solchen Momenten erinnert Fincher stellenweise an Brian De Palma, der ebenfalls, wenn ihm die Handlung eines Films zu unspektakulär erscheint, beginnt mit der Kamera die Zimmer eines Hotels im von oben betrachteten Querschnitt abzufahren oder eine Sequenz beinahe zwanzig Minuten aus der subjektiven Sicht des Protagonisten erzählt. Wie schon in THE GAME gleicht Finchers Inszenierung gewisse Schwächen des Drehbuchs aus. Einige Wendungen, die etwas zu vorhersehbar und bemüht erscheinen, fallen durch die geschickte Focusierung auf Details nicht allzu sehr ins Gewicht.
Ausgehend von den im Panic Room versteckten Wertpapieren, halten Fincher und Drehbuchautor David Koepp (SPIDERMAN, SNAKE EYES) durch eine ganze Serie von McGuffins das Geschehen in Bewegung. Natürlich scheitern die ersten Versuche Sarahs die Nachbarn auf sich aufmerksam zu machen. Auch dass in der Mitte des Films ihre Tochter dringend außerhalb des Sicherheitsbunkers gelagerte Medikamente benötigt und dass die Polizei im denkbar ungünstigsten Augenblick doch noch auftaucht, überrascht nicht weiter. Ebenfalls überflüssig zu erwähnen, dass die Eindringlinge scheinbar an ihrem Ziel angelangt schließlich selbst im Panic Room gefangen gesetzt werden, ohne dass es Sarah und ihrer Tochter wirklich weiterhilft.
Die stringent aufgebaute Suspense und die konsequent durchgehaltene Atmosphäre sorgen jedoch dafür, dass sich PANIC ROOM nicht auf eine routinierte Fingerübung beschränkt. Fincher verwandelt durch die dunkle Farbgebung die alltägliche Kulisse des im Zentrum von New York gelegenen Hauses in ein bedrohliches Szenario. Der Panic Room, neuester Hype in Sachen Sicherheitsvorrichtungen, erscheint als ein beklemmendes Gefängnis, dessen Überwachungskameras keinen Überblick verschaffen, sondern als Mittel zur Täuschung und Manipulation für zusätzliche Verunsicherung sorgen. Auf einer weiteren Ebene lässt sich der Film auch als Kommentar zum gelegentlich hysterische Ausmaße annehmenden gegenwärtigen Sicherheitsbedürfnis interpretieren. In erster Linie gelang Fincher damit aber ein solider Genrefilm, der in vertrauten Konstellationen noch einmal einen neuen Reiz entdeckt. Keine subversive Abrechnung mit den Mythen des Alltags wie FIGHT CLUB, aber dafür ein gediegenes und sehr dynamisches Action-Kammerspiel.