Love Object
(ursprünglich erschienen in Splatting Image September 2003)
Das Motiv Beziehungsneurosen in New York bildet angesichts der ständigen
filmischen Updates zum Thema schon fast eine Art eigenes Subgenre, von der
melancholischen Ironie Woody Allens bis hin zu TV-Serien wie SEX AND THE CITY.
Eine ungewöhnliche Variante des Beziehungsfrust im Big Apple bietet der
Regisseur und Autor Robert Parigi in seinem Debüt LOVE OBJECT. Der schüchterne
Kenneth, der tagsüber seiner nicht sonderlich spannenden Arbeit als Autor für
technische Sachbücher in einem tristen Redaktionsbüro nachgeht, findet sich
plötzlich in einem komplizierten Dreiecksverhältnis wieder.
Doch der vermeintliche Loyalitätskonflikt des Protagonisten existiert
überwiegend nur in dessen Phantasie. Überraschend zeigt Kenneths attraktive und
charmante Kollegin Lisa Interesse an dem etwas introvertierten Dauersingle. Das
folgende Beziehungsglück wäre nahezu perfekt, würde Kenneth nicht immer wieder
von Schuldgefühlen gegenüber seiner großen Liebe Nikki geplagt werden. Diese
verhält sich ihrer Natur entsprechend äußerst wortkarg, obwohl Kenneth bereits
ihre rasende Eifersucht fürchtet. An sich eine Konstellation, die man aus
zahlreichen Beziehungskomödien und –tragödien kennt. Der wesentliche Unterschied
besteht jedoch darin, dass es sich bei Lisas Konkurrentin Nikki um eine äußerst
realistisch nach Kenneths Wünschen gestaltete Sexpuppe aus Silikon handelt.
Statt die skurrile Situation des Puppen-Fetischisten für plakative Zoten
auszubeuten, taucht LOVE OBJECT in dessen verzerrte Wahrnehmung ein und spielt
den Plot bis zum makabren Ende durch. Geschickt changiert Regisseur Parigi
zwischen dem psychologischen, surreal überhöhten Alltagshorror von Roman
Polanskis THE TENANT / DER MIETER und einer im letzten Drittel zunehmend
drastischeren schwarzen Komödie. Der Film entwickelt sich zu einer absurden
Studie über die Abgründe hinter der alltäglichen Anonymität der Großstadt
zwischen Isolation und Wahnsinn. Unterstützt wird Parigis atmosphärisch dichte
Inszenierung von einem spielfreudigen Ensemble. Mit einem sicheren Gespür für
die satirischen Spitzen des Drehbuchs setzen Desmond Harrington und Melissa
Sagemiller ihre Rollen um, ohne die Charaktere karikaturhaft erscheinen zu
lassen. In einer Nebenrolle unterstützt sie Udo Kier als Kenneths zunehmend
misstrauischer Nachbar, der von allen Beteiligten noch den normalsten Eindruck
macht.
Glücklicherweise verzichtet Parigi darauf der Puppe Nikki ein tatsächliches
Eigenleben zu verpassen. Dieser klassische Horrortopos funktioniert zwar
unproblematisch im Fall der Mörderpuppe Chucky und deren Verwandtschaft, wäre
aber in diesem Film angesichts der zumindest in der ersten Hälfte vorhandenen
psychologischen Untertöne sichtlich fehl am Platz. LOVE OBJECT stellt zwar keine
Neudefinition des urbanen Beziehungs-Psychokarussell dar, dafür verlässt sich
der Film schließlich doch zu sehr auf bewährte Strukturen. Im Umgang mit diesen
erweist er sich aber als stilsicher und in den besten Momenten des Films wirken
Parigis Großstadtneurotiker wie eine aktuelle Ergänzung zu den Romanen von
AMERICAN PSYCHO-Autor Bret Easton Ellis.