Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels / Indiana Jones and the Empire of the Crystal Skull
Siebenundzwanzig Jahre nach dem ersten Film der „Indiana Jones“-Reihe ist Steven Spielberg seinem ursprünglichen Ziel, einen eigenen James Bond-Film zu drehen doch noch erstaunlich nahe gekommen. Der nach zahlreichen verworfenen Drehbuch-Entwürfen doch noch realisierte vierte Film um den abenteuerlustigen Akademiker mit dem Stetson-Hut und der Zorro-Peitsche greift in seinem Plot die seit dem letzten, 1938 angesiedelten Teil „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ (USA 1989) real vergangenen neunzehn Jahre auf. Statt erneut auf die exotischen Kulissen der alten Hollywood-Serials, die das Set Design der ersten drei Filme bestimmten, zurückzugreifen, begibt sich „Indiana Jones and the Empire of the Crystal Skull“ in die Zeit des Kalten Krieges.
Rock’n’Roll, Motorradrebellen, ein Atombombentest und die aus „American Graffiti“ (USA 1972) vertrauten Diners schaffen von den ersten Einstellungen an ein reizvolles neues Spielfeld für das Ensemble um Harrison Ford. Spielberg taucht die brillant choreographierten Action-Sequenzen in die Pastellfarben des Kinos der 1950er Jahre und auch die filmhistorischen Anspielungen wurden an den veränderten Zeitkontext angepasst. Bereits nach der rasanten und dennoch auf rührende Weise altmodischen Eröffnungssequenz läuft das für die „Indiana Jones“-Filme typische Genre-Crossover auf Hochtouren. Die an einen Spionage-Thriller erinnernde Exposition leitet in die vertrauten Abenteuerszenarien über, inklusive einiger Ansätze zur Romantic Comedy, um schließlich in den Pulp-Welten des Science-Fiction-Films zu landen, inklusive Killerameisen und Relikten außerirdischen Ursprungs.
Nach einer irrwitzigen Motorradjagd, unter anderem durch die Bibliothek der Universität, in der sogar Zeit für eine improvisierte Sprechstunde bleibt, bricht Indy mit seinem Junior-Partner Mutt (Shia LaBeouf) in den südamerikanischen Dschungel auf. In einem Wettlauf mit der sowjetischen Agentin Irina Spalko (Cate Blanchett), einer Mischung aus Ninotschka und einer attraktiveren Variante der Bond-Gegenspielerin Rosa Klebb aus „From Russia with Love“, begeben sich Indy und Mutt auf die Suche nach dem legendären El Dorado. Doch es geht nicht um die unermesslichen Reichtümer der Stadt aus Gold. Mit Hilfe der so genannten Kristallschädel soll der Kontakt zu extraterrestrischen Lebensformen hergestellt werden.
Die von Co-Autor und Produzent George Lucas in die Geschichte eingebrachten, tief im UFO-Hype der 1970er Jahre verwurzelten Science-Fiction-Motive verhindern schließlich doch noch, dass Spielberg seine eigene James Bond-Variante bekommt. Mit ironischer Tongue-in-Cheek-Haltung sucht er stattdessen erneut jenes Terrain auf, das er selbst in den späten 1970er Jahren mit „Close Encounters of the Third Kind“ (USA 1977/79) bedient hat. Die im Vorfeld des Films im Internet geäußerten und von den ersten negativen Kritiken in Cannes beförderten Befürchtungen, dass „Crystal Skull“ in ein unfreiwillig komisches Camp-Spektakel umkippen könnte, erweisen sich glücklicherweise als unberechtigt. Weder muss Indy einen Telefonanschluss für E.T. basteln, noch besucht Chewbacca seinen ehemaligen Co-Piloten.
Die „Akte X“-kompatiblen Kristallschädel dienen als reiner McGuffin, mit dem man im Sinne Hitchcocks in Schottland Löwen fangen oder eben in Peru das aus den Vorgängern bekannte übernatürliche Finale einleiten kann. Im Prinzip klaut sich Spielberg den im ersten „Akte X“-Film aus seinem „Close Encounters“ entliehenen Showdown wieder zurück. Die Science-Fiction-Referenzen bilden ebenso wie die zahlreichen Anspielungen im Soundtrack und Set Design den logischen Schritt in Richtung 1950er Jahre. Außerdem fanden sich mit dem an Monty Pythons Ritter der Kokosnuss erinnernden Gralsritter und den magischen Sankara-Steinen in den ersten drei Filmen bereits ähnlich skurrile Genre-Knalltüten.
Die zentralen Qualitäten, die „Crystal Skull“, trotz eines beinahe zu umfangreichen Ensembles an Nebenfiguren und der Alien-Referenzen, zu einem der unterhaltsamsten Blockbuster der letzten Jahre machen, liegen auf einer anderen Ebene. Zu den Stärken des Films zählen die einfallsreichen Verfolgungsjagden. Sie gestalten sich als Hommage an die eigene Seriengeschichte und bilden einen stilbewussten Gegenentwurf zum digitalen Overkill aktueller Actionfilme. Spielbergs Inszenierung konzentriert sich auf das präzise Zusammenspiel von Action und Darstellern. Die Rückkehr der aus dem ersten Film „Raiders of the Lost Ark“ bekannten Karen Allen als Indys Langzeitliebe Marion Ravenwood erweist sich als cleverer Besetzungscoup. Die brünette Abenteurerin gehört zu den wenigen Charakteren der Reihe, die dem draufgängerischen Archäologen auf dessen eigenem Terrain in bester Howard Hawks-Tradition als Professional das Wasser reichen können und sich nicht mit einer passiven Sidekick-Rolle zufrieden geben müssen.
Die vergnüglichen Streitereien zwischen dem nach fast dreißig Jahren wieder vereinten Duo machen neben der formal gekonnten Umsetzung den eigentlichen Charme des Films aus. Die pointierten One-Liner gleichen selbst Schwachpunkte wie die unfertige Rolle Ray Winstones als neuer undurchsichtiger Weggefährte Mac aus. Mit leicht beleidigtem Unterton erklärt Indy, dass er Marion nach der Trennung von ihm doch immerhin weiter Briefe geschrieben habe. Bedauerlicherweise konnte er sich jedoch erst dazu aufraffen, als diese bereits seit über einem Jahr mit einem Anderen verheiratet war. Die für Spielberg typische Sentimentalität erscheint durch die ironische Brechung sogar ungewöhnlich ausgeglichen und wirkungsvoll.
Shia La Beouf schlägt sich in seiner Rolle als potentieller Nachfolger souverän und Cate Blanchett schuf mit der dreifach mit dem Lenin-Orden ausgezeichneten Dominatrix Irina Spalko die bisher interessanteste Schurkenrolle der Reihe. Im Vergleich zu anderen aktuell reaktivierten Leinwandhelden versucht Harrison Ford mit der für ihn typischen Gelassenheit gar nicht erst sein Alter zu kaschieren und erinnert darin an seinen Serienvater Sean Connery in dem späten James Bond-Film „Never Say Never Again“ (GB 1984). Dieses Motto haben Spielberg, Lucas und Ford offensichtlich auch bei der Arbeit an „Crystal Skull“ im Hinterkopf behalten. Einerseits bringt der Film die Reihe zu einem adäquaten Abschluss, mit der Einführung Shia La Beoufs hält sich das bewährte Dreiergespann aber zugleich die Hintertür weit offen, um bei Bedarf weitere Abenteuer der nächsten Generation zu inszenieren. Diese werden jedoch hoffentlich nicht wieder neunzehn Jahre auf sich warten lassen.