Ghostbuster From Hell
Hellboy
(erweiterte Fassung einer in Splatting Image
Nr. 58 erschienen Kritik)
Es stehe schlecht um das klassische B-Picture, seitdem es in den
letzten zehn Jahren zunehmend Einzug in den Bereich der millionenschweren
Blockbuster gehalten hat. Zu diesem Fazit gelangte der Filmkritiker A.O. Scott
im Frühjahr 2004 in einem Artikel für die New York Times. Unter dem Titel „When
Bad Was Better...“ beklagt er das Verschwinden des Trash-Cinemas, das genau wie
engagierte Kunst den Status Quo der bieder prätentiösen Prestige-Produktionen,
die ständig nur auf die Etablierung potentieller Klassiker aus wären, auf seine
eigene Art attackierte. Um künstlerische Filme bräuchte man sich keine Sorgen zu
machen, aber jene Streifen, die früher die Maßstäbe für Low
Budget-Genreproduktionen definierten, hätten ihren subversiven Biss verloren.
Einen schwachen Hoffnungsschimmer sah Scott lediglich in dem halbwegs gelungenen
DAWN OF THE DEAD-Remake und vor allem in Guillermo del Toros HELLBOY, der
Verfilmung eines bei Dark Horse seit zehn Jahren erscheinenden Comics. Ron
Perlman würde als rothäutiger Teufelskerl mit seinem Sarkasmus, dem latenten
Weltschmerz und seiner stilisierten Gleichgültigkeit gegenüber dem ständigen
Kampf zwischen Gut und Böse an die Traditionen klassischer B-Picture-Helden
anknüpfen.
Tatsächlich gehört Perlman, der sowohl vom Regisseur, als auch von Mike Mignola,
dem Autoren der Vorlage, für die Rolle favorisiert wurde, zu den wenigen
Darstellern, die selbst unter Tonnen von Make-Up ihrem Schauspiel noch
individuelle Züge verleihen können. Seine bereits in den Filmen von Jean-Pierre
Jeunet (STADT DER VERLORENEN KINDER, ALIEN – RESURRECTION) erprobte lakonische
Art macht ihn zur Idealbesetzung des Höllenexilanten mit den abgeschliffenen
Hörnern, der im Auftrag der US-Regierung auf Dämonen- und Nazijagd geht. Obwohl
er sich als unterkühlter Einzelgänger gibt und in demonstrativ stilisierter Pose
ständig an seiner Zigarre zieht, ist Hellboy im Geheimen ein Melancholiker.
Hinter seiner Fassade beschäftigen ihn Gefühle für seine Mitstreiterin Liz
Sherman, die im Stil der Mutanten aus X-MEN über außergewöhnliche pyrotechnische
Fähigkeiten verfügt und dadurch zur Außenseiterin wurde. Als Hellboy Liz an
einen stets etwas zu smarten Kollegen zu verlieren droht, verfolgt er sie und
beobachtet das vermeintliche Paar von einem nahe gelegenen Hausdach aus.
Gegenüber einem kleinen Jungen, der ihn als leibhaftige urbane Legende erkennt,
behauptet er verlegen in geheimer Mission unterwegs zu sein, obwohl sein wahres
Anliegen deutlich zu erkennen ist. Hellboy kann es problemlos mit den
unheimlichen Legionen des Nazi-Okkultisten Grigori Rasputin aufnehmen, wenn es
an das alltägliche Gefühlsleben geht, steht er jedoch vor einer schier
unüberwindbaren Herausforderung.
In Sequenzen wie dieser bewegt sich Guillermo del Toro, für den der Film ein
langjähriges Wunschprojekt darstellt, geschickt zwischen der neuen
Ernsthaftigkeit, die vor allem die Serie der gelungenen Marvel-Adaptionen aus
den letzten vier Jahren auszeichnet, und den Camp-Aspekten der Story, die ohne
weiteres auch aus einer Troma-Produktion stammen könnten. Im Vorwort zur
HELLBOY-Anthologie The Conqueror Worm (2002) wies del Toro darauf hin, dass er
sich bereits in seinen früheren Filmen immer wieder am Bildarrangement Mignolas
und an dessen Vorliebe für dunkle Hintergründe orientiert hätte. Er wäre sich
jedoch bewusst, dass Film und Comic zwar zwei parallele, aber letztendlich
separate Medien sind. Die Unterschiede halten den Regisseur und Comicfreak
trotzdem nicht davon ab, mit den Beschaffenheiten der beiden Medien auf
unaufdringliche Weise zu experimentieren. In einigen Sequenzen gestaltet del
Toro die Montage seines Films nach den Strukturen eines Comics. Der frustrierte
Hellboy schmeißt in einer Einstellung einen Gegenstand gegen eine Scheibe. Die
Kamera folgt allerdings nicht dem geworfenen Objekt, sondern verliert es im
Gegenteil ganz aus den Augen und unterbricht die begonnene Bewegung. Die
Perspektive wechselt vor dem Aufprall auf die andere Seite der gleich
zerberstenden Scheibe, als würde es sich um das nächste Panel in einem Comic
handeln. Die Charakterisierung der Protagonisten orientiert sich einerseits am
ikonographisch überzeichneten Stil der Comics, nimmt sie aber andererseits immer
wieder auch ernst genug, um zu verhindern, dass der Film zur prätentiösen
Ausstellung vermeintlicher Cartoon-Merkmale wird. Mit anderen Worten: del Toro
gelingt genau jener Drahtseilakt aus Camp und Sophistication, an dem der
überfrachtete VAN HELSING bereits im ersten Drittel scheitert.
In HELLBOY kann del Toro seiner Begeisterung für die Vorlage in vollen Zügen
Ausdruck verleihen, ohne dass er dabei in esoterische Nerdismen abdriften würde.
Wie Sam Raimi (SPIDER-MAN) und Mark Steven Johnson (DAREDEVIL) versteht es del
Toro seine eigene Fan-Haltung gekonnt einem größeren Publikum zu vermitteln, das
nicht nur aus Comic Book Guys besteht. Der Einsatz klassischer Trash-Motive
tendiert durch deren stilisiertes Arrangement im HELLBOY-Universum schon fast
zur Abstraktion. Mike Mignola verbindet in seinen Comics, insbesondere in den
originellen Kurzgeschichten real existierende Folklore mit den Motiven und
Strukturen der Superhelden-Comics. Nicht selten führen sich diese beiden
Elemente gegenseitig ad absurdum. HELLBOY begegnet auf seinen Missionen
Gespenstern und Dämonen aus europäischen und asiatischen Legenden, zeigt sich
aber von diesen alles andere als beeindruckt. Neben historischen Quellen, die er
einer witzigen Entmystifizierung durch den sarkastischen Agenten für okkulte
Angelegenheiten unterzieht, bezieht sich Mignola auf Vorbilder wie den
Marvel-Zeichner Jack Kirby und H.P. Lovecraft, dessen jenseitige Schleimmonster
sowohl im Film, als auch in der Vorlage Seed of Destruction (1994) eine zentrale
Rolle spielen.
Innerhalb der ersten Viertelstunde behandelt der Film die Origin Story Hellboys,
die wie im Comic als reinster Pulp funktioniert. Dass Nazis und andere
Herrenmenschen auf Probe eine Vorliebe für übernatürliche Mächte haben, weiß man
nicht erst seit den INDIANA JONES-Filmen und Videospielen. Zu Beginn der 1940er
Jahre holen sie mit Hilfe des wahnsinnigen Grigori Rasputin Hellboy auf die
Erde. Doch die Alliierten retten die sympathische Teufelsbrut aus einer anderen
Dimension rechtzeitig vor den dunklen Schergen des Rassenwahns, von denen einige
wie eine Mischung aus Ninjakämpfer und Darth Vader aussehen. Die Darstellung der
Nazis als plakative Cartoon-Schurken bringt nicht nur die Banalität des Bösen
zum Ausdruck. Sie befördert auch jenen okkulten Mystizismus, der vor allem in
rechtslastigen Verschwörungstheorien fröhliche Urstände feiert, demonstrativ
wieder auf den Schrotthaufen historischen Schwachsinns, von dem aus er sich in
Esoterik- und Dark Wave-Kreisen verbreitet hat. Diese sympathische comichafte
Eindeutigkeit bietet ein erholsames Kontrastprogramm zu den aktuellen
Entgleisungen deutscher Befindlichkeit, die vor lauter Einfühlungsvermögen in
die Täter die Perspektive der Opfer in den Hintergrund drängt. Passenderweise
startet HELLBOY am gleichen Tag wie Bernd Eichingers „Der Führer
Privat“-Melodram DER UNTERGANG. Mit großem Aufwand und prominenten Schauspielern
realisieren der Produzent Eichinger und sein Regisseur Oliver Hirschbiegel die
letzten Stunden im Führerbunker, als hätten nicht bereits das Satiremagazin
Titanic und Christoph Schlingensief alles wesentliche zu diesem Thema gesagt.
Glücklicherweise gibt es noch amerikanische Produktionen wie HELLBOY, in denen
man vor den Exzessen des neuen deutschen Selbstbewusstseins sicher ist.
In dem Wissenschaftler Trevor Broom findet der rasant heranwachsende Hellboy
einen Ersatzvater und schließt sich dem Bureau of Paranormal Research and
Defense, einer Art Parallelstelle zu den X-FILES, an. Nach dem an Clive Barkers
HELLRAISER-Mythologie erinnernden Prolog entwickelt sich HELLBOY konsequent zu
einer skurrilen Kombination aus GHOSTBUSTERS und Superhelden-Groteske. Gemeinsam
mit seiner heimlichen Flamme Liz und dem galanten Fischmenschen Abe nimmt
Hellboy den Kampf gegen den wieder zum Leben erwachten Rasputin und die
Lovecraftschen Schrecken aus einer anderen Dimension auf.
Der Plot von HELLBOY läuft im positiven Sinne denkbar geradlinig ab. Vermutlich
gelingt es del Toro gerade durch die Konzentration auf das Wesentliche eine
inszenatorische Spielfreude an den Tag zu legen, die sich in BLADE 2 vor zwei
Jahren bereits andeutete, dann aber doch in der Hektik des Actionspektakels
unterging. Mit HELLBOY kommt er einer Synthese aus seinen kleineren, ganz auf
akzentuierte Augenblicke konzentrierten Produktionen wie dem Gothic-Drama THE
DEVIL’S BACKBONE und den diesen bisher entgegen gesetzten gut geölten
Genre-Achterbahnen wie BLADE 2 einen wesentlichen Schritt näher. Auf Grund
dieser Verbindung von Genrekino und persönlichen Ansätzen erweisen sich die
Comicverfilmungen der letzten Zeit in der Tat als wichtiger und innovativer
Gegenakzent zu den zunehmend gelangweilter erscheinenden Big Budget-B-Pictures.