Bad Boys 2
Früher standen die Regisseure der Blockbuster-Filme von Jerry Bruckheimer ganz
im Schatten ihres Produzenten. Selbst bekannte Namen wie Tony Scott wurden
weniger mit Titeln wie TOP GUN (USA 1985) und BEVERLY HILLS COP 2 (USA 1987)
assoziiert, als Bruckheimer, der gemeinsam mit seinem vor einigen Jahren
verstorbenen Partner Don Simpson zum Synonym für hoch budgetierte
Actionspektakel avancierte. Sieht man einmal von einfallsreichen Ausnahmen wie
dem postmodernen Tanzdrama FLASHDANCE (USA 1983), den ersten beiden BEVERLY
HILLS COP-Filmen (USA 1984, 1987) und dem Paranoiathriller ENEMY OF THE STATE
(USA 1998) ab, zeichnen sich die Bruckheimer-Produktionen nicht gerade durch
ihre Originalität aus. Im Unterschied zu seinem früheren Konkurrenten Joel
Silver, dem es mit den LETHAL WEAPON-, DIE HARD- und MATRIX-Filmen gelang neue
Maßstäbe für das Actiongenre zu setzen, verließ sich Bruckheimer auf sorgfältig
gepflegte Allgemeinplätze in aufwändiger Verpackung. Die durch die Erfolge TOP
GUN und BEVERLY HILLS COP etablierte Formel blieb selbst bei Genrewechseln immer
die gleiche. Ein Hit-Soundtrack, auf dem mehr Songs und meistens nur ein
Ausschnitt aus dem restlichen Score zu finden waren, wurde parallel zum Film
veröffentlicht und die aus Versatzstücken montierte minimale Handlung sollte
genügend Gelegenheit für den maximalen Einsatz wuchtiger Stilmittel wie
Zeitlupen, Aufnahmen im Gegenlicht und Montagen zu markanten Chart-Hits bieten.
Im Lauf der 1990er Jahre drohte Bruckheimer den Anschluss zu verlieren. Saure
Gurken wie das Schmalspurrennen DAYS OF THUNDER (USA 1990), der
pseudo-engagierte Sozialkitsch von DANGEROUS MINDS (USA 1995) und die im
Leerlauf abstürzende CON AIR (USA 1997) waren kommerziell zwar immer noch
erfolgreich, sie traten zugleich aber auch sehr offensichtlich auf der Stelle.
Erst die Zusammenarbeit mit dem Werbeclip-Experten und ehemaligen
Videoclip-Regisseur Michael Bay sicherte Bruckheimer eine erneute
Vormachtstellung im Bereich des Mainstream-Actionkino. In seinem Debüt BAD BOYS
knüpfte er 1995 mit Hilfe der Starkomiker Will Smith und Martin Lawrence an die
Formeln des komödiantischen Action-Buddy-Movies in der Tradition von Eddie
Murphy an. Mit dem Alcatraz-Actionvehikel THE ROCK (USA 1996) bot Bay seinem
Hauptdarsteller Sean Connery die Gelegenheit ironisch mit seiner
Rollengeschichte zu spielen, ohne dass dabei die Raffinesse von INDIANA JONES
(USA 1981-2005) oder NEVER SAY NEVER AGAIN (USA 1984) erreicht wurde. Bereits in
seinen ersten Filmen interessierte sich Bay für die stakkatohafte
Aneinanderreihung von Schauwerten, bei denen sich durch die Dynamik der Kamera
und die kalkuliert hektische Montage jegliche räumliche Orientierung aufzulösen
scheint. Für den Wortwitz der Dialoge sorgte nicht die Inszenierung, sondern das
Charisma von Stars wie Will Smith oder Sean Connery. Wenn Emotionen vermittelt
werden sollen, verlässt sich Bay seit dem Kometendrama ARMAGEDDON (USA 1998)
ganz auf seine eigene Form von Pathos. Gefühle werden durch die Signalwirkung
der eingesetzten Mittel in erster Linie semiotisch behauptet. Wenn dem Zuschauer
beim Anblick eines verkitschten Postkarten-Sonnenuntergangs immer noch nicht
klar geworden sein sollte, dass die Romanze zwischen dem von Ben Affleck
verkörperten Nachwuchsastronauten und seiner von Liv Tyler gespielten großen
Liebe gerade angesichts des drohenden Weltuntergangs in die Gänge kommt, helfen
auf dem Soundtrack Aerosmith noch einmal mit der pompösen Rock-Ballade „I don’t
want to miss a thing“ nach. Mit postmoderner Ironie an der Grenze zur Pop-Art,
wie sie McG in den CHARLIE’S ANGELS-Filmen (USA 2000, 2003) beispielhaft
realisiert, hat Bay jedoch nichts zu tun, obwohl anfangs dieser Verdacht
durchaus nahe lag. Das dröhnende Pathos von ARMAGEDDON erschien derart
überzeichnet, dass man sich nicht ganz sicher sein konnte, ob hier nicht die
Allgemeinplätze des klassischen Katastrophendramas absichtlich derart
überzeichnet wurden, dass sie zwangsläufig in Komik umkippten. Doch der Pathos
des 2001 präsentierten Schlachtengemäldes PEARL HARBOR ließ keinen Zweifel mehr
daran, dass man es, falls überhaupt nur mit unfreiwilliger Komik zu tun hatte.
Durch seine Kombination aus Action-Achterbahnfahrt und bombastischem Kitsch
avancierte Bay zum prototypischen Realisateur für Bruckheimers Produktionen. Im
Unterschied zu seinen Kollegen Tony Scott oder in jüngerer Zeit Gore Verbinski (PIRATES
OF THE CARIBBEAN, USA 2003) versucht Bay gar nicht erst einen eigenen Ansatz in
die von ihm inszenierten Blockbuster einzubringen. Stattdessen hat sich der zur
Zeit prominenteste Vertreter der Bruckheimer-Schule auf die Perfektion der vor
gesuchter Rasanz fast schon wieder statischen hauseigenen Actionformeln
spezialisiert. Im Gegensatz zu John McTiernan sucht er erst gar nicht nach neuen
Ansätzen für das Actiongenre und auch an einer raffinierten Ironisierung, wie
sie Renny Harlin immer wieder betreibt, zeigt er sich keineswegs interessiert.
Stattdessen verfolgt er die permanente Steigerung des Vorhandenen in einer
Weise, wie sie früher von seinem Produzenten betrieben wurde. So bald sich in
den durch die forcierte Dynamik ständig kurz vor der Implosion stehenden
Handlungsräumen spielerische Elemente ergeben, kittet Bay die Risse mit einer
gezielten Ladung triefendem Pathos. Die Helden von Bays Filmen agieren nicht als
abgeklärte Last Action Heroes wie die Protagonisten in den Filmen von Renny
Harlin oder John McTiernan, sondern als pflichtbewusste Moralisten, deren
anarchischer Gestus immer dann in den Hintergrund tritt, wenn es um ein höheres
Ziel oder die patriotische Pflicht geht.
Das mit acht Jahren Abstand zu Bays Debüt realisierte Sequel BAD BOYS 2 erweist
sich auch weniger als eine Fortführung des ersten Teils, sondern als eine
Kombination aus allen typischen Elementen seiner bisherigen Filme. Wie nicht
anders zu erwarten geben sich Regisseur und Produzent nicht mit der von ihnen
gewohnten Kombination aus harter Action, stilisierter Coolness,
hyperventilierender Kameraführung und der routinierten Komik von Will Smith und
Martin Lawrence zufrieden. Sie versuchen sich selbst gleich in mehrfacher
Hinsicht zu übertreffen. Die pausenlose Konfrontation mit Gegnern in den
Actionszenen, die Stunts, bei denen sich die Grenzen zwischen realen Aufnahmen
und Computereffekten auflösen und die ständig auf Höchstgeschwindigkeit bedachte
Kameraführung entsprechen den Konventionen neuerer Videospiele. Wenn sich die
Kamera in Zeitlupe an eine abgefeuerte Pistolenkugel heftet, erinnert diese
Perspektive sowohl an die nach MATRIX (USA 1999-2003) omnipräsente Bullet Time,
als auch an die verlangsamte Wiedergabe eines zuvor ausgespielten Schusswechsels
in neueren Ego-Shootern.
Einige aufgesetzten Tabubrüche sollen Michael Bays Ruf als Bad Boy des
Blockbuster-Actionkinos fördern. Die beiden Cops Mike (Will Smith) und Marcus
(Martin Lawrence) überfahren während einer Verfolgungsjagd aus einem Transporter
gefallene Leichen und erweisen sich im Umgang mit ihren Gegenspielern als nicht
gerade zurückhaltend, auch wenn einer der Bad Boys gerade dabei ist, sein
Temperament mit Hilfe von fernöstlichen Meditationstechniken zu zügeln. Das
komödiantische Timing der beiden aufeinander eingespielten Hauptdarsteller sorgt
dafür, dass Kontroversköder wie etwa eine prekäre Situation in einer
Leichenhalle nicht wirklich ins Gewicht fallen. In den ersten beiden Dritteln
funktioniert BAD BOYS 2 als eine ständig mit allen Reglern aufgedrehte,
vergnüglich vor sich hin polternde Aktualisierung der BEVERLY HILLS COP- und
LETHAL WEAPON-Filme. Diesmal hält man sich gar nicht erst mit einfachen Nummern
wie der Verwechslungskomik des ersten Teils auf. Selbst bei kleinen
komödiantischen Einschüben muss gleich ein ganzer Swimming Pool zu Bruch gehen.
Dieser permanente Overdrive, der sowohl die Comedy-, als auch die
Actionsequenzen durchgehend dominiert, entwickelt seinen eigenen Reiz, auch wenn
er nicht die Spielfreude von Gore Verbinskis Piraten erreicht.
Der Plot beschränkt sich auf das etablierte Wechselspiel von wuchtigen
Actionnummern und soliden Comedyroutinen. Die Emotionalität der Romanze zwischen
Mike und Syd, der Schwester seines Partners Marcus, bleibt an der Oberfläche und
erinnert an überleitende Filmsequenzen in Videospielen. Die logischen Schwächen
des Drehbuchs stören angesichts des zumindest in den ersten beiden Dritteln
stimmig arrangierten Spektakels nicht weiter. Natürlich erscheint es
widersinnig, dass die als Undercover-Agentin operierende Syd sich immer wieder
mit den das gleiche Syndikat verfolgenden Bad Boys von der Miami Police in der
Öffentlichkeit trifft und ihre sorgfältig arrangierte Tarnung gefährdet. Wie
nicht anders zu erwarten entdecken die Handlanger des verfolgten
Möchtegern-Scarface Tapia mit reichlich Verspätung ihre Identität genau in jenem
Augenblick, als sie dringend eine Geisel für den abschließenden dritten Akt
benötigen.
Dieser steht nicht nur im Vergleich zum restlichen Film isoliert und reichlich
unmotiviert für sich, sondern vollführt sogar eine Art Genrewechsel. Auf sehr
eigenartige Weise kombiniert das Finale von BAD BOYS 2 die in den 1980er Jahren
noch deutlich voneinander getrennten klassischen Comedy-Cop-Rollen Eddie Murphys
mit der zur Selbstjustiz neigenden Tough Guy-Attitude Sylvester Stallones. Die
Entführung Syds durch den Drogenbaron verwandelt Marcus und Mike vom sich
ständig Wortgefechte liefernden Buddy Movie-Duo in ernste Professionals, die
sich mit voller Unterstützung ihres Departments und der CIA auf den Weg nach
Kuba machen, um dem entkommenen Ecstasy-Baron jenseits der Landesgrenzen die
Leviten zu lesen.
Bay und Bruckheimer werden mit dieser Entwicklung des Plots auf denkbar
verkrampfte Weise ihrem Ruf als führende Hurra-Patrioten Hollywoods gerecht und
stellen zu allem Überfluss den Protagonisten auch noch ein Team aus Exilkubanern
und überzeugten Castro-Gegnern zur Seite. Der Showdown erweist sich als
aufschlussreich über die veränderten Prämissen im Hollywood-Actionkino. Jene
Stereotypen, die in Filmen wie James Camerons TRUE LIES von 1994 oder den James
Bond-Filmen der letzten zwanzig Jahre noch durch die generell überzeichnete
Handlung ironisch gebrochen wurden, erscheinen in BAD BOYS 2 als
selbstverständlicher Bestandteil des Genres. Der selbstverliebte kubanische
Dealer, der im Vergleich zu den Schurken der Bond oder der DIE HARD-Filme
jegliches Charisma vermissen lässt, und sein ständig alkoholisierter Konkurrent
von der Russenmafia agieren als reine Witzfiguren. Der latente Rassismus dieser
Schießbudenfiguren ergibt sich erst dadurch, dass sich gegen Ende des Films ein
für eine Actionkomödie unerwartetes, für Michael Bay jedoch durchaus typisches
Pathos einstellt.
Die Exilkubaner, die gewöhnlich in Actionfilmen eher im Rahmen dubioser
paramilitärischer Organisationen auftreten, werden in BAD BOYS 2 zu Rettern in
der Not. Unter einem falschen Vorwand und ausgestattet mit technischen Gimmicks,
die sich in DIE HARD noch eher auf der Seite der Terroristen fanden, dringt der
Stoßtrupp um die Bad Boys in das Feindesland ein. Dort angekommen befreien sie
Syd, zerstören die Luxusvilla des Drogenbarons, sowie ein paar weitere Labors,
die sie en passant entdecken. Im letzten Moment retten sie sich ausgerechnet
nach Guantanamo, vor dessen Toren es im Minenfeld zum entscheidenden
Schlagabtausch mit dem feindlichen Dealer kommt. Michael Bay adaptiert mit BAD
BOYS 2 jene billigen Formate für den Mainstream, die in den 1980er Jahren im
Genre noch den direkten Gegenpol zu den polierten Hochglanzproduktionen
Bruckheimers und Simpsons bildeten. Die visuelle Direktheit und der Zynismus der
häufig nur als Videopremieren veröffentlichten Low
Budget-Exploitation-Actionfilme dieser Zeit halten mit einem millionenschweren
Budget verspätet doch noch Einzug in die Säle der Multiplexe. In dieser Hinsicht
ist BAD BOYS 2 neben MATRIX REVOLUTIONS das teuerste B-Picture der Saison. Im
Unterschied zu John Landis BEVERLY HILLS COP 3, der vor knapp zehn Jahren an
einer ähnlichen Kombination aus Komik und Ballerorgie scheiterte, gelang Bay mit
dem von ihm gewohnten kalkulierten Größenwahn eine weitgehend unterhaltsame,
wenn auch gegen Ende allzu bemühte Popcorn-Actionorgie.